Motorische Probleme verringern, um Teilhabe zu erweitern
In der Physiotherapie behandeln wir zielorientiert, individuell auf die Patienten und Patientinnen angepasst und unter Berücksichtigung des Umfelds. Wir orientieren uns dabei am aktuellen Bobath-Konzept, an der ICF (internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit der WHO) und an der aktuellen Evidenzlage in der neuropädiatrischen Physiotherapie.
Neben einem genauen Befund bieten wir eine an den Bedürfnissen der Patienten und Patientinnen sowie ihres sozialen und materiellen Umfeldes orientierte Therapie an. Eltern und Bezugspersonen sowie betreuende Einrichtungen werden in Therapieentscheidungen mit einbezogen. Über Elternberatung und Hilfsmittelversorgung versuchen wir zudem über den Klinikaufenthalt hinaus positive Effekte für den Alltag der Kinder zu erreichen.
Ermitteln der motorischen Probleme
Eine genaue Diagnostik ist die Grundlage für alle unsere Therapieentscheidungen.
Um die motorischen Probleme der Patienten und Patientinnen in ihrem Alltag verstehen zu können, ist es notwendig, dass wir uns im Sinne einer Funktionsanalyse die Aktivitäten, bei denen die Probleme auftauchen, genau anschauen. So können wir feststellen, welche Körperbereiche das Problem verursachen und welche Teilfunktionen dadurch beeinträchtigt werden.
In der Entwicklungsdiagnostik spielt gerade bei den jüngeren Kindern die Beobachtung von Kind und Umfeld eine große Rolle. Bei den älteren Kindern und Jugendlichen kommen zunehmend neurologische, orthopädische und sensomotorische Aspekte hinzu. Für eine aussagekräftige Dokumentation setzen wir Skalen, Tests und Assessments ein.
Grundlage dafür eine optimale Förderung von Säuglingen und Kleinkindern ist die Ermittlung des Entwicklungsstandes.
Als Grundlage der Therapieplanung kommt dazu die Analyse eventuell vorhandener Probleme und gegebenenfalls deren Ursachen und Zusammenhänge. Bei Zielfindung und Auswahl von Interventionen orientieren wir uns am Grenzsteinkonzept und an den Umfeldbedingungen.
Bei älteren Kindern erheben wir abgestuft nach dem Schweregrad der motorischen Beeinträchtigung einen Befund, der von der Teilhabe ausgehend die Fähigkeiten erfasst und die Probleme bei Aktivitäten auf ihre möglichen Ursachen im Bereich von Körperstrukturen und Funktionen hin analysiert (orientiert an der ICF-CY). Für die Verlaufsdokumentation werden angepasste Assessments verwendet.
Motorische Möglichkeiten erweitern
Physiotherapie auf neurophysiologischer Basis ist seit vielen Jahren ein Standard in der Behandlung von Menschen, die Bewegungsstörungen mit neurologischen Ursachen haben.
Die Behandlungsmethoden werden individuell auf die jeweilige Situation angepasst und beziehen die Bezugspersonen, das aktuelle und das heimatliche Umfeld sowie mögliche Hilfen und Hilfsmittel mit ein.
Das Bobath-Konzept und die Vojta-Methode kommen bei uns ebenso zur Anwendung wie andere Vorgehensweisen oder kombinierte Behandlungen. Die Entscheidung darüber treffen wir nach der aktuellen Evidenzlage, begründet auch durch Zielvorgaben und die Erfolgsaussichten im Einzelfall. Dies gilt sowohl für den Bereich der Entwicklungsförderung bei kleineren Kindern als auch für die Neurorehabilitation bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Bei der Förderung der motorischen Fähigkeiten bauen wir auf die vorhandenen Fähigkeiten auf und richten uns nach den Anforderungen im Alltag.
Infolge einer Orientierung an nichtlinearen Entwicklungskonzepten arbeiten wir vor allem bei jüngeren, schwer betroffenen Patienten/Patientinnen mit an den Grenzsteinen orientierter früher Vertikalisation. Durch Beratung der und Zusammenarbeit mit den Eltern/Bezugspersonen versuchen wir Behandlungsschwerpunkte in den Alltag zu übernehmen.
Ganganalyse
Wir benutzen videogestützte (SIMI) und beobachtende („Gehen verstehen“) Ganganalyse, um die Besonderheiten des Gangbildes unserer Patienten und Patientinnen zu ermitteln. Zusammen mit dem orthopädischen und neurologischen Befund analysieren wir die Auffälligkeiten auf mögliche Ursachen und die verursachenden Strukturen. Diese Analyse dient zur Ermittlung individueller Therapieoptionen ebenso wie zur Evaluation von funktionsunterstützenden Hilfsmitteln.
Gangtherapie
Zur Behandlung der Gangprobleme nutzen wir gezielt ganz unterschiedliche Ansätze:
- Gangtraining im Innowalk
- Training auf dem Laufband, mit oder ohne Gewichtsentlastung
- Training mit verschiedensten Mobilitätshilfen
- Funktionelles und selbstbestimmtes Training mit dem Andago; damit kann auch unter Gewichtsentlastung auf ebenen Oberflächen geübt werden
- Gezielte Behandlung der Strukturen und Funktionen, die beim Gehen Probleme machen
- Training mit und Anpassung von Orthesen und Gehhilfen
Um in verschiedenen Positionen mehr Sicherheit zu geben, die Atmung zu erleichtern, Beweglichkeit zu erhalten oder zu erarbeiten und die Entstehung oder Verschlechterung von Kontrakturen zu verhindern, werden Patienten und Patientinnen in der Therapie und/oder im Alltag gelagert und regelmäßig umgelagert. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf den Stationen oder den Bezugspersonen.
Für Patienten und Patientinnen mit vermehrter Sekretbildung oder starker Verschleimung bieten wir die Erprobung von Bauchlagerungsmodulen an. Diese helfen beim Sekretabtransport. Dies kann vor allem in der Frührehabilitation mit individuellen Lagerungsmodulen (nach dem Bobath-Konzept) oder mit Decken und Kissen erfolgen (nach dem LIN-Konzept von H. Pickenbrock) und wirkt sich beruhigend und Tonus senkend aus. Auch Kinder mit Bewegungsunruhe können zum Teil davon profitieren.
Vor allem Patienten und Patientinnen mit erworbenen Gehirnschädigungen haben oft Probleme, ihre Atemwege von Sekret freizuhalten.
Aber auch andere Probleme mit der Atmung können bei neurologisch betroffenen Personen auftreten. Als Ergänzung der medizinischen und pflegerischen Behandlung bieten wir hier bei Bedarf Atemtherapie durch unsere Physiotherapeuten und -therapeutinnen an. Orientiert an den individuellen Möglichkeiten und Problemen, wird über manuelle Techniken und durch Lagerungsbehandlung versucht, das Sekret zu lösen, den Transport zur Mundhöhle oder zum Tracheostoma zu erleichtern sowie den Kindern dabei zu helfen, das Sekret über Hustenunterstützung oder Drainagelagerungen loszuwerden. Unser Ziel ist es, die Patienten und Patientinnen möglichst dahin zu bringen, dass sie lernen, ihre Atmung und die Sekretelimination selbst oder mit so wenig Hilfe wie möglich zu bewältigen.
Kräftigung der Muskulatur ist auch bei Kindern mit neurologischen Problemen ein wichtiger Bestandteil der Therapie.
Oft ist es die aufrichtende Muskulatur, die zu schwach ist, um eine effektive Haltungskontrolle zu ermöglichen. Hier werden neben manuellen Techniken auch Vibrationsplatten (Galileo) zur Muskelkräftigung und zum Aufbau eines verlässlichen Haltungshintergrunds eingesetzt. Vibrationsplatten können aber mit anderen Frequenzen auch zur Tonusregulierung verwendet werden. Als Vorbereitung auf oder Bestandteil der Therapie wird in der Kinderklinik Schömberg auch eine Galileo-Platte mit Kipptisch eingesetzt. Hiervon profitieren zum Beispiel Personen, die nicht frei stehen können.
Narbenbehandlung
Bei orthopädischen Operationen entstehen oft Narben. Wenn diese nicht behandelt werden, können sie verhärten und die Beweglichkeit einschränken. Gerade bei Patienten und Patientinnen, deren Beweglichkeit durch andere Faktoren sowieso schon eingeschränkt wird, ist die Narbenbehandlung eine Möglichkeit, um zusätzliche Probleme zu vermeiden. Dabei arbeiten wir mit einer Kombination aus manuellen und physikalischen Techniken. Neben speziellen Massagegriffen kommen Wärme, Kälte und andere Möglichkeiten der Anregung des lokalen Stoffwechsels zum Einsatz.
Lymphdrainage
Unmittelbar nach Operationen kommt es häufig zu Schwellungen und Ansammlungen von Flüssigkeit im Gewebe. Mit Lymphdrainage und anderen entstauenden Techniken helfen wir hier und schaffen damit die Voraussetzung für Schmerz- und Bewegungsfreiheit. Neben manuellen Techniken und Kompression kommen unter anderem Tape-Anlagen zur Anwendung.
Im Spiel Erfahrungen mit den eigenen Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten zu sammeln, ist für die Entwicklung von Kindern im Kindergartenalter sehr bedeutend.
Herausforderungen an die motorischen Fähigkeiten und die Haltungskontrolle führen dazu, dass diese ganz nebenbei verbessert werden. Dies wird noch verstärkt durch das gemeinsame Erleben in der Psychomotorik-Gruppe.
Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen ist es oft schwer, selbst Sinneseindrücke zu sammeln. In Gruppen werden mit basalen Angeboten die Sinneswahrnehmungen angeregt und die Auseinandersetzung damit für Lernschritte genutzt.
Auch durch den Einsatz der Feldenkrais-Methode schulen wir die Eigenwahrnehmung: Über kleinste Bewegungen zu lernen, etwas im eigenen Körper wahrzunehmen, ist die Voraussetzung dafür, sich und seine Bewegungen zu verändern. Feldenkraisarbeit wird auch eingesetzt, um die Eigenwahrnehmung zu schulen.
Klettern an der Boulderwand (Raumhöhe) ist eine schöne Möglichkeit, um Kindern mit Bewegungsstörungen unter Aufsicht und mit Hilfestellungen anspruchsvolle Bewegungserfahrungen zu ermöglichen.
Es geht weniger um große Höhen oder Schwierigkeitsgrade als darum, Spaß an der Herausforderung zu haben und sich an der geraden oder geneigten Boulderwand zu beweisen. Durch die Neigbarkeit der Wand wird dieses Erlebnis auch Kindern zugänglich, die an einer senkrechten Wand nicht klettern könnten. Diese Therapie findet in der Gruppe statt und bietet dadurch zusätzlich die Möglichkeit, regelgeleitetes Miteinander zu erproben, Spaß miteinander zu haben und sich von der Anwesenheit von Beobachtern zu Höchstleistungen motivieren zu lassen.
Beratung ermöglicht Übernahme von Erreichtem in den Alltag
Physiotherapie wirkt deutlich nachhaltiger, wenn Elemente davon in den Alltag der Kinder integriert werden können.
Wir bieten hier deswegen verschiedene Möglichkeiten an Hilfsmittel zu planen, auszuprobieren und evtl. auch anzupassen. Aber auch die Übernahmen von Positionierungs- , Lagerungs- und Transfermöglichkeiten in den nachklinischen Alltag spielt eine wichtige Rolle. Um diese Übergänge zu ermöglichen ist uns die Einbeziehung der Bezugspersonen in den therapeutischen Prozess besonders wichtig.“
Sowohl im Rahmen der Entwicklungsförderung als auch im rehabilitativen Rahmen werden oft Hilfsmittel benötigt, um bestimmte funktionelle Ziele zu erreichen oder die Teilhabe am Alltagsleben möglich zu machen.
Hilfsmittelberatung, -erprobung und -optimierung spielen deshalb in unserer physiotherapeutischen Arbeit eine große Rolle. Das gilt gleichermaßen für kommerzielle Produkte oder kleine Hilfen und Tipps für den Alltag.
Im Rahmen des Gehen-Lernens oder der Gangrehabilitation werden oft Orthesen eingesetzt, um den Füßen eine stabile Basis zu geben und die Mobilität der Sprunggelenke zu gewährleisten. Auswahl, Anpassung und Erprobung finden in Zusammenarbeit von Familie, Orthopädietechniker und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen der Physiotherapie statt. Stehhilfen und Rumpforthesen helfen die aufrechte Position zu halten. Für die Fortbewegung von nicht gehfähigen Patienten und Patientinnen ist die individuelle Auswahl und Anpassung von Gehhilfen, Rollstühlen und Sitzschalen in Zusammenarbeit mit heimatnahen Reha-Technikern wichtig für Mobilität und Teilhabe im täglichen Leben.
Unabhängig davon ob es sich um Handlings- , Transfer- oder Hilfsmittelfragen handelt ist es wichtig das die Eltern oder sonstigen Bezugspersonen verstehen was für ihr Kind förderlich oder schädlich ist. Deswegen werden Eltern oder Bezugspersonen, sofern sie es wünschen, in den therapeutischen Prozess mit einbezogen.
Fragen der Positionierung und Umfeldgestaltung werden dabei für die Eltern anschaulich und somit in den Alltag übertragbar. Auch die Fortschritte in der Therapie werden so für die Bezugspersonen gut sichtbar.
Für Eltern, die nicht die ganze Zeit dabei sein können, bieten wir Beratungsgespräche zwischendurch oder zum Ende des Aufenthaltes an. Inhalte sind dabei unter anderem das Handling und Tragen von kleineren Kindern, das Tragen oder Umsetzen (Transfer) von größeren Kindern oder jungen Menschen mit Behinderungen. Dazu kommt, dass wir gemeinsam überlegen, wie sich die in der Therapie erarbeiteten Fähigkeiten in den Alltag übertragen lassen und wie mit den verordneten Hilfsmitteln eine möglichst gute Teilhabe am Alltag erreicht werde kann.
Therapeutisches Reiten
Beim therapeutischen Reiten geht es darum, auf dem schwankenden Rücken des Pferdes die eigene Mitte zu finden, im Gleichgewicht zu bleiben, aber auch im Umgang mit den Tieren seine Stärken und Schwächen zu erleben.
Dabei wird, wie in der Hippotherapie auch, an den Voraussetzungen für das Gehen gearbeitet. Die dreidimensionalen Bewegungen eines Pferdes im Schritt trainieren Haltungskontrolle und Anpassungsvermögen, die auch fürs Gehen benötigt werden. Darüber hinaus steht das therapeutische Reiten aber auch Nicht-Fußgängern offen. Diese profitieren für ihre Haltung im Sitzen und ihre Fortbewegung im Rollstuhl. Dieses Angebot wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von Spendern und wird in Zusammenarbeit mit Fachkräften vor Ort durchgeführt. Informationen zur Möglichkeit von Spenden finden Sie hier.
Wassertherapie
Wassertherapie in warmem Wasser wirkt entspannend und Tonus senkend.
Dadurch werden Reserven an Bewegungsmöglichkeiten freigesetzt, die im Wasser durch die verminderte Schwerkraft besser umgesetzt werden können als an Land. Im Wasser haben wir sehr gute Voraussetzungen für eine aktive oder passive Mobilisation von Rumpf und Extremitäten. Durch den Auftrieb einerseits und den Widerstand des Wassers andererseits kann Wassertherapie auch in der Gangrehabilitation hervorragend eingesetzt werden. Einzeln und in Gruppen fällt die Bewegung im Wasser oft leichter als an Land.
Wir richten uns beim Erlernen von Fortbewegungsmöglichkeiten im Wasser nach McMillan (Halliwick-Methode). Hierbei werden in einem Stufenplan zuerst die Atmung im Wasser, dann das „Sich vom Wasser tragen lassen“ und schließlich die Fortbewegungsmöglichkeiten (schwimmen) erarbeitet.
Kontakt
Sahra Widmaier
Stationsverantwortliche Physiotherapeutin
Station B
E-Mail: physiotherapie@kiklisch.de
Jacqueline Guidi
Stationsverantwortliche Physiotherapeutin
Station C und D
E-Mail: physiotherapie@kiklisch.de